Stand: 25. Juni 2008 |
Und es geht
doch! Die Lokhalle in Göttingen, ein Lehrstück für erfolgreiches
Flächenrecycling
Exkursionsbericht
der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover
von
Dr.
Frank Schröter
Die Exkursion fand im Rahmen der Treffen der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover statt. In der wärmeren Jahreszeit wird das Regionalgruppentreffen durch eine Exkursion (mit Führung) zu einem planerischen Thema eingeleitet. |
Ein Paradebeispiel für eine gelungene Umnutzung einer Industriebrache konnten die Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover am Freitag, dem 6. September 2002 in Göttingen besichtigten. Der Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen mbH (GWG), Herr Hoffmann und der Projektleiter Herr Tehnner nahmen sich viel Zeit, um uns die Historie der Lokhalle zu erläutern sowie uns einen Einblick in die Konstruktion und den Betrieb der Halle zu geben.
Die 1917 erbaute Lok(richt)halle in Göttingen war, nachdem 1976 das Ausbesserungswerk geschlossen wurde, für runde zwei Jahrzehnte dem Verfall preisgegeben (Eindrucksvoll zu sehen auf den Fotos von P. Richter, Dokumentation des Industriedenkmals). Während dieser Zeit fand eine intensive öffentliche Diskussion um die Nachnutzung der Lokhalle statt. Obwohl die Lokhalle 1981 in die vorläufige Liste der Baudenkmäler durch das niedersächsische Institut für Baudenkmalpflege aufgenommen wurde, fand sich keine rentable Nachnutzung.
Durch das Übernahmeverlangen des Eigentümers, aufgrund einer von der Stadt Göttingen verabschiedeten Erhaltungssatzung, kam die Stadt 1987 in den Besitz des Geländes zwischen Bahnhof und Leine einschließlich der Lokhalle (85.000 qm).
Nach der zwanzigjährigen Diskussion um eine sinnvolle Nachnutzung war die Lage augenscheinlich hoffnungslos. 1992 erteilte daher der Rat der Stadt Göttingen der GWG den Auftrag, das Areal "zu einem eigenständigen, vitalen, städtischen Bereich mit attraktiven, öffentlich ausstrahlenden Nutzungen zu entwickeln". Hierbei standen der GWG alle Optionen (einschließlich des Abrisses der Halle) zur Verfügung.
1993 erstellten die Architekten Moore, Ruble, Yudell, St. Monica USA einen Masterplan für die Hallennutzung. 1994 folgte der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 213 "Otto-Hahn-Zentrum". Die GWG wird Projekt- und Erschließungsträger und bekommt das Grundstück "Otto-Hahn-Zentrum" von der Stadt übertragen.
Im Dezember 1996 eröffnet das CinemaxX im nördlichen Teil der Lokhalle, wobei das Kino vollständig in die alte Halle integriert wurde (auch hierzu Fotos von P. Richter, unter: http://www.goettingen-bau.de/firma/richter/0004-4.htm). Lediglich die Kinosäle wurden neu gebaut. In den folgenden zwei Jahren wird die Lokhalle saniert und umgebaut. In Zusammenarbeit mit dem örtlichen Denkmalpfleger werden einige Änderungen vorgenommen:
- Verstärkung der Hallendecke (Hängelasten 20 t bei 50 t Schneelast und 5 t Punktlast in der gesamten Halle)
- Abriss von einer Reihe Träger, um eine große zusammenhängende Fläche zu bekommen (5.400 qm Veranstaltungsfläche)
- Einbau von Verdunkelungsmöglichkeiten (eine wichtige Voraussetzung für die Wahrung von künstlerischen Lichteffekten bei Veranstaltungen)
- Schallschutz, um eine Schalldämmung von bis zu 115 dB(A) zu gewährleisten
- Erneuerung der technischen Infrastruktur (Strom, Wasser, Sanitäreinrichtungen, mit Lkw (30 t) befahrbarer Hallenfußboden, Fußbodenheizung, etc.)
Im Dezember 1998 eröffnet die LOKHALLE mit rund 5.000 qm Veranstaltungs- und rund 3.000 qm Foyerfläche. Bis heute kann die Halle auf ein breit gefächertes Veranstaltungsspektrum verweisen. Ob Messen, Konzerte, Sportturniere, Firmenpräsentationen, Tagungen oder Kongresse, die Lokhalle ist multifunktional.
Der Standort hat sich von einer Randlage ("hinter dem Bahnhof") zur guten Lage entwickelt. Im Umfeld entstanden 1999 der Neubau der Volkshochschule und das Medienhaus, in das im September 1999 das Regionalstudio des NDR eingezogen ist. Das IC-Hotel, als Projekt eines privaten Investors, hat im Jahr 2000 eröffnet. Einen Überblick über das Gelände gibt die folgende Abbildung:
(Quelle: Werbeprospekt der Lokhalle, GWG mbh, 2002)Die Geschichte der Lokhalle verdeutlicht, dass Flächenrecycling wirtschaftlich tragbar sein kann. Durch die Nutzung der Lokhalle wurden eine Reihe von städtebaulichen Effekten erreicht:
- Erhalt eines Industriedenkmals
- Aufwertung einer städtebaulichen Randlage
- Schaffung von Arbeitsplätzen (im Zusammenhang mit dem Betrieb der Halle)
- Ansiedlung von Gewerbebetrieben (CinemaxX, Medienhaus, etc.)
- Erhöhung der Übernachtungszahlen in Göttingen (incl. Zunahme der Kaufkraft)
- Stadtmarketing
Wichtige Voraussetzungen hierfür waren, neben dem Engagement der GWG, die gute Erreichbarkeit der Halle (direkt am ICE-Bahnhof) und ihre Multifunktionalität. Hierbei ist positiv zu vermerken, dass die Lokhalle ein anderes Marktsegment von Veranstaltungen bewirbt, als die Stadthalle in Göttingen und so ein echtes Zusatzangebot geschaffen wurde.
Ein Besuch in der Lokhalle lohnt sich und ist mit einer ICE-Fahrzeit von 2:14 Stunden aus Berlin, 3:48 aus München, 2:34 aus Dortmund und 1:50 aus Hamburg wirklich schnell realisierbar.
Weitere Infos auch im Internet unter: http://www.lokhalle.info/lokhalle_b.html
Frank Schröter
IfR-Regionalgruppe
Braunschweig/Hannover
Interessante Links und Literatur: