Stand: 25. Juni 2008 |
Die Zukunft des
Wohnens:
Multikulturell oder in der Mikroklimazone!?
Exkursionsbericht
der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover
von
Dr.
Frank Schröter
Die Exkursion fand im Rahmen der Treffen der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover statt. In der wärmeren Jahreszeit wird das Regionalgruppentreffen durch eine Exkursion (mit Führung) zu einem planerischen Thema eingeleitet. |
Der Wohnungsmarkt ist im Wandel, weg vom Vermieter- und hin zum Mietermarkt. Wohnkonzepte, die individuelle Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigen, können die Vermietbarkeit von Wohnungen auf einem entspannten Wohnungsmarkt gewährleisten (vgl. hierzu auch: "Zielgruppen statt Einheitsmieter", Schröter, 2002).
Zwei (derzeit noch) ungewöhnliche Wohnkonzepte konnten die Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover am Freitag, dem 23. Mai 2003 in Hannover besichtigten. Prof. Hansen (der ehemalige Geschäftsführer des Gundlach Wohnungsunternehmens) und Frau Koch (von der BauBeCon aus Hannover) hatten sich freundlicherweise bereit erklärt, uns die Objekte zu erläutern.
Abb. 1 Mitglieder der IfR-Regionalgruppe in der Habitat-SiedlungBeide Wohnprojekte sind Bestandteil der EXPO-Siedlung in Hannover-Kronsberg (vgl. auch "Rahmenbedingungen am Kronsberg").
Multikulturelles Wohnen in der Habitat-Siedlung
Die Siedlung umfasst insgesamt 93 Wohneinheiten (WE), mit 40 verschiedenen Grundrisstypen, wobei es Wohnungen mit 1-, 3-, 4-, 5- und 7-Zimmern gibt. Die Mischung der Wohnungstypen wurde bewusst so gewählt, um unterschiedliche Wohnbedürfnisse befriedigen zu können.
Bei 1/10 der Wohnungen wurden spezielle Anforderungen der moslemischen Glaubensregeln berücksichtigt, z.B.:
- Toiletten nicht Richtung Südosten (Mekka)
- Bei religiösen Waschung (vor dem Gebet) dürfen die Klos nicht einsehbar sein, es wurde daher ein Trennwand eingebaut
- Zentralküche, groß und in der Mitte (mit Schiebetür zur Abtrennung)
- Schiebejalousinen, damit der Nachbar die Frauen nicht sieht
- Gebetsraum im Gemeinschaftshaus
- Einrichtungen für große Familienfeiern (einschließlich Bestuhlung, Geschirr und Raumtrennung (Trennung bei Feiern zwischen Männern und Frauen, dies wurde durch Vorhänge im Gemeinschaftshaus berücksichtigt)
- Tandem-Wohnungsangebot (normale Wohnungen mit großen Küchen, kombiniert mit kleinen, preiswerten Wohnungen für die Großeltern oder die selbständigen Kinder (Vorrecht in der Vergabe für Großfamilien)
Insgesamt sind ist in der Siedlung ein Mischungsverhältnis von 2/3 Deutschen und 1/3 Migranten. Dieser geringe Anteil der Migranten geht auf den speziellen Wunsch dieser Gruppe zurück. Vor dem Einzug gibt es einen Fragebogen für die Mieter, die alten Mieter entscheiden, ob die neuen Interessenten als Mieter zugelassen werden.
Bei der Planung wurden die zukünftigen Mieterinnen und Mieter noch nicht beteiligt. Hierdurch ließt sich das Bauvorhaben schneller und damit kostengünstiger abwickeln. Nach Bezug erfolgt die Verwaltung und die Pflege der Außenanlagen jedoch mit Mieterbeteiligung bzw. durch den Nachbarschaftsverein.
Die Siedlung verfügt über viele Besonderheiten, die für sich genommen vielleicht nicht herausragend sind, aber in der Häufung schon etwas besonderes darstellen. So auch die Fahrradtiefgarage, in die man aufrecht reinfahren kann. Oder die Spielmöglichkeiten für die Kinder, die in der Siedlung verteilt sind (viele verschiedene Spielmöglichkeiten statt einem zentralen Spielplatz). Durch die Vielfalt und Verschiedenheit der Spielangebote (z.B. eine Wasserpumpe, vgl. Abb. 2) wird die Akzeptanz der Spielplätze erhöht. Dies gilt sowohl für die Akzeptanz durch die Kinder, wie auch durch die Nachbarn, da sich auch die Emissionen verteilen.
Abb. 2 PumpeInsgesamt wurde versucht, möglichst viele Vorteile von Einfamilienhäusern zu erreichen. Hierzu gehören neben separaten Wohnungszugängen (vgl. Abb. 3) auch Mietergärten. Während die Mietergärten zunächst als offene Bereiche vorgesehen waren, hat sich bereits nach kurzer Zeit gezeigt, das sich dieses Konzept nicht realisieren lässt und Zäune notwendig sind. Zäune bzw. Hecken werden benötigt, um ein klar definiertes Gebiet abzugrenzen, für das man allein zuständig ist. Diese Maßnahme ist zur Akzeptanz erforderlich.
Abb. 3 Separate ZugängeDie Gemeinschaftsflächen sind der übrigen Kronsberg-Siedlung zugewandt (vgl. auch Lageplan). Um einen Bouleplatz sind eine Gaststätte, das Gemeinschaftshaus und ein Kiosk angeordnet (vgl. Abb. 4).
Abb. 4 BouleplatzNeben den räumlichen Aspekten sind auch die vielfältigen Serviceangebote für die Mieterinnen und Mieter zu erwähnen. Hier sind u.a. zu nennen:
- Rasenmäherverleih
- Schulungen (der Mietergartenpflege) durch eine Landschaftsplanerin
- Pflanzbasar im Frühjahr
- Waschraum mit Energiespargeräten
- Jugendarbeit in der Siedlung
(alle 14 Tage Austausch mit anderen (Kronsberger)KITA-Gruppen, Integration der Mädchen, Frienprogramme)Diese Serviceangebote beeinflussen auch das Verhalten der Mieterinnen und Mieter. So haben beispielsweise viele Mieter ihre Waschmaschinen abgeschafft. Dies ist neben der Kostenersparnis auch auf das Gemeinschaftserlebnis zurückzuführen. Das (gemeinsame) Waschen mit Radiomusik und Stühlen vor dem Waschraum wird zum sozialen Ereignis. Auch wurde bisher kein Vandalismus und keine Graffiti in der Siedlung festgestellt, die wird als Zeichen der hohen Wohnzufriedenheit und der Identifikation mit der Siedlung interpretiert.
Ein Problem bei der Umsetzung solcher neuen Konzepte sind häufig die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen, deren Möglichkeiten man geschickt nutzen muss. Ein Beispiel hierfür ist das in Abb. 5 wiedergegebene "Denkmal für die Nds. Bauordnung (NBauO)". Die Breite der Zufahrten zu Wohngrundstücken (u.a. von Wohnwegen) richtet sich gemäß der NBauO u.a. danach, ob die Wege von Feuerwehrfahrzeugen benutzt werden müssen. Dies ist wiederum von der Gebäudehöhe und dem damit notwendigen Geräteeinsatz abhängig. Entsprechend § 2 (9) NBauO liegen "Gebäude geringer Höhe" nur bis zu einer Höhe von maximal 7 m über GOK vor. Wenn die oberste Wohnung höher liegt (vgl. Abb. 6), kann sie von der Feuerwehr nicht mehr mit einer Handleiter angedient werden und es müssen befahrbare Wege vorgesehen werden. Um dies zu umgehen wurde an der Seite des Gebäudes ein "Steinhaufen" errichtet, von dem (wenn die Leiter auf den Stein gestellt wird) die oberste Wohnung weniger als 7 m entfernt ist. Positiver Nebeneffekt: In der Zwischenzeit wurde der Stein von Kindern gestalterisch aufgewertet.
Abb. 5 Denkmal für die NBauO Abb. 6 Gebäude der Siedlung Ähnlich verhält es sich auch mit Teilen der ökologischen Konzeption, so ist beispielsweise, bedingt durch die aufwendigere Technik der BHKW, die Fernwärme am Kronsberg teurer als im übrigen Hannover. Hinzu kommt, das es Innerhalb der Bewohnerschaft Abweichungen bei den Energieverbräuchen um bis zum Zehnfachen gibt!
Das Wohnungsbauunternehmen Gundlach sieht in der stärkeren Berücksichtigung der Bedürfnisse von Mieterinnen und Mieter (Mieter-Marketing) auch Vorteile für das Unternehmen. Durch Mieter-Marketing lassen sich beispielsweise folgende (Geldwerte)Vorteile für die Wohnungsbauunternehmen erzielen:
- Ziel: Wartelisten
- Keine Wohnungsanzeigen notwendig
- Pünktliche Zahlung
- Kein Vandalismus
Wohnen in der Mikroklimazone
Die Besonderheit dieses Wohnkonzeptes liegt in der Mikroklimazone, die zwischen den Gebäuden angeordnet ist. Lamellen im Glas verhindern eine zu große Aufheizung des Innenbereichs. Die Folien dehnen sich durch die Sonneneinstrahlung aus, entsprechend des Druckes wird verschattet. Diesem Bereich sind kleine Balkone der Wohnungen zugeordnet (vgl. Abb. 7), während die größeren Balkone nach Süden ausgerichtet sind. Den Innenbereich nutzen ca. 50 % der Mieter.
Abb. 7 Blick in die MikroklimazoneDie Mikroklimazone ist jedoch nicht mit einem Wintergarten vergleichbar, da hier im Winter durchaus Minusgrade erreicht werden.
Die Belegungsbindung, die Standard für den sozialen Wohnungsbau am Kronsberg ist, wurde von der BauBeCon auf andere Objekte im Stadtgebiet von Hannover übertragen, so dass die Wohnungen der Mikroklimazone frei vermietet werden konnten. Leerstände sind nicht vorhanden, obwohl die Miete derzeit bei ca. 9,60 €/m² liegt. Hierbei entfallen auf die reine Wohnungsmiete 6,86 €/m², auf die Betriebskosten 1,79 €/m² und die Heizkosten 0,93 €/m². Bei der Mieterstruktur überwiegt die Altersgruppe zwischen 25 und 45 Jahren.
Der Wohnungsbestand von insgesamt 140 Wohnungen setzt sich wie folgt zusammen:
20 1-Zimmer-Whg. mit 40 m²
20 2-Zimmer-Whg. mit 48 m²
64 3-Zimmer-Whg. mit 68 m²
36 4 und mehr Zimmer-Whg. mit 92 m²
Die Tiefgarage verfügt über 115 Stellplätze, von denen derzeit 28 Plätze frei sind. Stellplatznot (und Vandalismus) ist also derzeit am Kronsberg kein Thema.
Die gemäß Kronsberg-Konzept vorgesehenen Gemeinschaftsflächen (Waschräume etc.) werden bereits nach 2 Jahren anders genutzt. Es gibt jedoch noch eine Aufenthaltsfläche (vgl. Abb. 8) und einen Grillplatz (vgl. Abb. 9), die allerdings von den Mieterinnen und Mietern nur selten genutzt werden.
Abb. 8 Aufenthaltsfläche Abb. 9 Grillplatz
IfR-Regionalgruppe
Braunschweig/Hannover
Interessante Links und Literatur:
Projektbeschreibung zur Habitat-Siedlung
Referenz: "Wohnen in der Mikroklimazone", incl. Fotos