Stand: 25. Jun 08 |
Anwendbarkeit der Werte der Bodenschutzverordnung im Hinblick auf die Bauleitplanung
von Dr.-Ing. Frank Schröter
Vortrag |
Einleitung
Die Auseinandersetzung der Bauleitplanung mit den Inhalten der Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BodSchV) ist zwingend erforderlich, da im Rahmen der Bauleitplanung auch den mit Schadstoffen belasteten Böden eine Nutzung zugewiesen werden muß. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die geplante Nutzung der Fläche "gesunden Wohn- und Arbeitsbedingungen" entspricht. Als Bewertungskriterien hierzu werden die in den untergesetzlichen Regelwerken zum Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) festgelegten nutzungsbezogenen Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmenwerte für die Sanierung von Altlasten herangezogen werden müssen. Voraussetzung für die problemlose Anwendung der Werte der BodSchV im Rahmen der Bauleitplanung ist jedoch die Übereinstimmung der BodSchV mit den planerischen Anforderungen hinsichtlich Schutzbedürfnis und Nutzungsbezug.
Die Anwendbarkeit der Werte der BodSchV im Hinblick auf die Bauleitplanung ist daher von der Klärung der folgenden drei Fragen abhängig:
- Stimmt der Schutzzweck der Werte der BodSchV (Risikowahrscheinlichkeit) mit den Schutzanforderungen der Bauleitplanung überein?
- Stimmt der Nutzungsbezug der Werte der BodSchV mit den Nutzungsarten der Bauleitplanung bzw. der Baunutzungsverordnung überein?
- Sind die Werte der BodSchV hinsichtlich Risikowahrscheinlichkeit und Nutzungsbezug für die Bauleitplanung praktikabel?
Schutzzweck der Werte
Die BodSchV unterscheidet zwischen:
- Vorsorgewerten, bei deren Überschreiten in der Regel davon auszugehen ist, daß die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht.
- Prüfwerten, bei deren Überschreiten eine einzelfallbezogene Prüfung durchzuführen und festzustellen ist, ob eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt.
- Maßnahmenwerten, bei deren Überschreiten in der Regel von einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast auszugehen ist.
Für die Planung sind insbesondere die Vorsorge- und Prüfwerte von Bedeutung. Sofern die Maßnahmenwerte überschritten werden, wird eine Nutzungszuweisung in der Regel erst nach einer erfolgten Sanierung möglich sein.
Die Zuordnung einer bestimmten Schadstoffkonzentration zu einer der drei Wertekategorien ergibt sich im wesentlichen aus dem Risiko bzw. der Wahrscheinlichkeit, daß durch die jeweilige Schadstoffkonzentration ein Schaden eintreten könnte (Risikowahrscheinlichkeit). Zur Abgrenzung der unterschiedlichen Risikowahrscheinlichkeiten werden im allgemeinen die Begriffe "Gefahr", "vorbeugender Schutz" und "vorsorgender Schutz" verwandt. Nach einem Urteil des BVerwG bezeichnet der Begriff Gefahr die objektive Möglichkeit eines Schadens, präziser: eine Sachlage, die nach allgemeiner Erfahrung die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in sich birgt (1969, 586; vgl. auch FELDHAUS, 1988, 10). Von vorbeugendem oder präventivem Umweltschutz ist z.B. die Rede, wenn die Möglichkeit eines Schadens nicht ausgeschlossen werden kann (so auch FELDHAUS, 1980, 136). Das heißt, präventiver Schutz kommt dort zur Anwendung, wo ein Risikopotential vorhanden oder ein Schaden langfristig absehbar ist. Im Unterschied zur "Gefahr" ist der Schadenseintritt nicht wahrscheinlich, sondern wird lediglich vermutet. Die Grenze zum vorsorgenden oder prophylaktischen Umweltschutz ist dabei nahezu fließend.
Vom prophylaktischen Umweltschutz ist die Rede, wenn:
- für Gefahrenschutz und auch für präventiven Schutz noch kein Anlaß besteht,
- hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, daß z.B. Immissionen möglicherweise zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen, oder
- negative Umwelteinwirkungen bloß zu vermuten sind.
Das heißt, prophylaktischer Schutz kommt zur Anwendung, bevor eine Gefahrensituation (Risikopotential) entstanden ist. Ausreichend für die Vorsorge ist ein Gefahrenverdacht, auch wenn sich Ursachenzusammenhänge im einzelnen noch nicht feststellen lassen (so auch das BVerwG Mannheim in einem Urteil vom 17.02.1984 - 7C8/82).
Diese allgemein anerkannten Stufen des Umweltschutzes finden sich auch in den drei Wertekategorien der BodSchV wieder. Im Rahmen der Bauleitplanung bzw. im Baugesetzbuch (BauGB) werden die Begriffe "Gefahr", "vorbeugender Schutz" und "vorsorgender Schutz" jedoch nicht explizit genannt. Im BauGB wird allgemein von den "allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse" gesprochen (vgl. § 1 (5) Satz 2 Nr. 1 BauGB). Nach SCHMID-AßMANN (1986, 63) ergeben sich hieraus drei Stufen, die verschiedene Anforderungen an den Umweltschutz in der Planung erkennen lassen:
- Tatbestände der Gefahrenabwehr,
- Tatbestände der Gefahrenvorbeugung,
- Tatbestände der Gestaltung einer lebenswerten Umwelt.
Diese Stufen können als "kritische Differenz" aus dem Vergleich der bestehenden Verhältnisse mit den allgemeinen Anforderungen bezeichnet werden. "Für die Bauleitplanung ist die kritische Differenz schon dann erreicht, wenn die bestehenden Wohn- und Arbeitsverhältnisse, auf die Zukunft projiziert, eine lebenswerte Umgebung nicht gewährleisten. Dabei gehen die Aufgaben des Städtebaus weiter als Gefahrenabwehr und Gefahrenvorbeugung und verpflichten zu früh ansetzender Vorsorge. Diese Auffassung gilt - was die Bauleitplanung betrifft - als weitgehend abgesichert" (KÜHLING, 1986, 63 [mit weiteren Nachweisen]).
Ergänzt man die Werte der BodSchV um die Hintergrundbelastung, können ihnen sowohl die oben angegebenen Risikowahrscheinlichkeiten wie auch die drei Stufen des planerischen Umweltschutzes zugeordnet werden (vgl. Abb. 1).
Hintergrundbelastung
Vorsorgender Schutz
ê Gestaltung einer lebenswerten Umwelt
Vorsorgewerte
nach § 8 (2) Satz 2 Nr. 1 BBodSchGVorbeugender Schutz
ê Gefahrenvorbeugung
Prüfwerte
nach § 8 (1) Satz 2 Nr. 1 BBodSchGGefahrenverdacht
ê Gefahrenabwehr
Maßnahmenwerte
nach § 8 (1) Satz 2 Nr. 2 BBodSchGGefahr
Gefahr
Abb. 1: Verknüpfung der Werte der BodSchV mit den Risikowahrscheinlichkeiten
Aus der Abbildung 1 wird deutlich, daß eine Nutzungszuordnung im Rahmen der Bauleitplanung bei vorhandener Bodenbelastung auf jeden Fall eine Unterschreitung der Prüfwerte nach BodSchV voraussetzt. Im Sinne der Gestaltung einer lebenswerten Umwelt (Zukunftssicherung für künftige Generationen) ist sogar das Erreichen bzw. Unterschreiten der Vorsorgewerte zu fordern.
Es kann also festgehalten werden, daß sich die Schutzzwecke der Werte der BodSchV den Schutzanforderungen der Bauleitplanung zuordnen lassen.
Nutzungsbestandteile
Die BodSchV (in der vom Bundeskabinett am 9. September 1998 beschlossenen und dem Bundesrat zugeleiteten Fassung) unterscheidet folgende Nutzung:
- Kinderspielflächen
Aufenthaltsbereiche für Kinder, die öffentlich zugänglich sind und ortsüblich zum Spielen genutzt werden, ohne den Spielsand von Sandkästen. Amtlich ausgewiesene Kinderspielplätze sind ggf. nach Maßstäben des öffentlichen Gesundheitswesens zu bewerten.- Wohngebiete
Dem Wohnen dienende Gebiete einschließlich Hausgärten, auch soweit sie nicht im Sinne der Baunutzungsverordnung planungsrechtlich dargestellt oder festgesetzt sind, ausgenommen Park- und Freizeitanlagen sowie Kinderspielflächen. Soweit unbefestigte Flächen in Wohngebieten als Kinderspielflächen genutzt werden, sind diese als solche zu bewerten.- Park- und Freizeitanlagen
Anlagen für soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke, insbesondere öffentliche und private Grünanlagen sowie unbefestigte Flächen, die regelmäßig zugänglich sind.- Industrie- und Gewerbegebiete
Unbefestigte Flächen von Arbeits- und Produktionsstätten, die nur während der Arbeitszeit genutzt werden.Speziell für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze (Transfer) werden die Nutzungen "Ackerbau, Gartenbau, Nutzgarten" und "Grünland" unterschieden. Aufgrund der hohen Pflanzenverfügbarkeit von Cadmium wird für diesen Stoff für Hausgärten, die als Aufenthaltsbereich für Kinder und für den Anbau von Nahrungspflanzen genutzt werden, ebenfalls ein separater Prüfwert festgelegt.
Die Definition der Wohnnutzungen nach BodSchV wurde in der aktuellen Fassung gegenüber der Fassung vom Juni 1997 bereits korrigiert. Neu hinzugekommen ist die Möglichkeit, Flächen in Wohngebieten die als Kinderspielflächen genutzt werden, auch entsprechend den Werten der Nutzung "Kinderspielflächen" zu bewerten. Gelockert wurde der (durch die Nennung einzelner Paragraphen) sehr enge Bezug zur BauNVO. Ganz entfallen ist der Hinweis auf die Mischgebiete, die wie Wohngebiete zu bewerten waren, sofern sie überwiegend dem Wohnen dienen.
Die im Rahmen der Bauleitplanung zulässigen Nutzungsarten werden in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) festgelegt. Hier wird im wesentlichen zwischen Wohn-, Misch- und Gewerbenutzung unterschieden (allgemeine Art der baulichen Nutzung). Insbesondere für die Festsetzungen in Bebauungsplänen werden diese Nutzungsarten durch die Zulässigkeit bzw. "Ausnahmsweise Zulässigkeit" von Nutzungsbestandteilen näher differenziert (besondere Art der baulichen Nutzung). Die Wohnbauflächen unterteilen sich z.B. gemäß der BauNVO in Kleinsiedlungsgebiete (WS), reine Wohngebiete (WR), allgemeine Wohngebiete (WA) und besondere Wohngebiete (WB). Darüberhinaus ist eine Wohnnutzung aber auch in Mischgebieten zulässig.
Des weiteren können auf Grundlage des BauGB noch "Flächen für Gemeinbedarf" (z.B. Schulen), "Flächen für Sport- und Spielanlagen", Verkehrsflächen, Grünflächen sowie "Flächen für Landwirtschaft und Wald" festgesetzt werden.
Zur Klärung der Frage: "ob der Nutzungsbezug der Werte der BodSchV mit den Nutzungsarten der Bauleitplanung bzw. der Baunutzungsverordnung in Übereinstimmung gebracht werden kann", ist es notwendig, die Zusammensetzung einer Nutzung näher zu betrachten.
Im planerischen Sinne besteht eine Nutzung im wesentlichen aus:
- Funktion / Funktionselementen
Hierunter ist die Funktion der Fläche im Kontext gesamtgesellschaftlicher Bedürfnisse zu verstehen (z.B. Wohnen, Arbeiten, Erholen). Die Aufgabe einer Fläche läßt sich über ihre Funktionselemente charakterisieren, die für die Wahrnehmung der jeweiligen Funktion notwendig sind (z.B. in Wohngebieten der Nahrungsmittelanbau in Hausgärten).
- Akzeptoren
Elemente der Nutzung (Flora und Fauna), die für die Funktionserhaltung notwendig sind und die durch Schadstoffe beeinträchtigt werden können. Diese Elemente der Nutzungsart stellen bestimmte Ansprüche (u.a. an die Bodenqualität), die erfüllt werden müssen, um die Funktion der Nutzung zu gewährleisten.
- Indikatoren
Elemente der Akzeptoren, die aufgrund einer besonderen Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Schadstoffen als Anzeigemedium für eine vorliegende Belastung herangezogen werden können. Im Sinne des vorsorgenden Schutzes (Gestaltung einer lebenswerten Umwelt) werden durch den Schutz dieses empfindlichsten Nutzungsbestandteils gleichzeitig auch alle anderen (weniger empfindlichen) Nutzungsbestandteile geschützt.
Hieraus ergibt sich direkt, daß jede Nutzungsart ein bestimmtes Schutzbedürfnis hat, das es zu beachten gilt. Dieser Grundsatz wird auch im BBodSchG in § 4 (4) festgeschrieben. Hier heißt es: "Bei der Erfüllung der boden- und altlastenbezogenen Pflichten nach den Absätzen 1 bis 3 ist die planungsrechtlich zulässige Nutzung des Grundstücks und das sich daraus ergebende Schutzbedürfnis zu beachten, soweit dies mit dem Schutz der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 genannten Bodenfunktionen zu vereinbaren ist. Fehlen planungsrechtliche Festsetzungen, bestimmt die Prägung des Gebiets unter Berücksichtigung der absehbaren Entwicklung das Schutzbedürfnis."
Die Festlegung der Indikatoren je Nutzungsart ist demnach gleichzeitig eine Definition der Elemente, die zur Funktionserfüllung der Nutzung für notwendig erachtet werden.
Bei der Zuordnung der einzelnen Funktionselemente zu den jeweiligen Nutzungen muß von dem nach der BauNVO rechtlich zulässigen bzw. möglichen ausgegangen werden. So muß beispielsweise bei einem reinem Wohngebiet berücksichtigt werden, daß teilweise große Gartenflächen vorhanden sein können, auf denen auch Gemüse für die tägliche Versorgung angebaut wird. Als Nutzungsanforderung an die Qualität des Bodens muß daher die Möglichkeit des Gemüseanbaus offengehalten werden. In diesem Sinne schließt die Nutzung "Wohngebiete" der BodSchV auch Hausgärten explizit ein.
Werden diese Nutzungsanforderungen nicht berücksichtigt, müssen im Rahmen der Bebauungsplanung gegebenenfalls Nutzungsbeschränkungen festgesetzt werden, damit die Nutzung trotz vorhandener Bodenbelastung realisiert werden kann (vgl. dazu SCHRÖTER, 1997).
Unter Berücksichtigung der oben angeführten planerischen Nutzungsdefinition können die Nutzungen der BodSchV den planungsrechtlichen Nutzungsarten zugeordnet werden (vgl. Tabelle 1).
Tab. 1: Zuordnung der planungsrechtlichen Nutzungsarten zu den Nutzungen der BodSchV
Planungsrechtlichen Nutzungsarten Nutzungen der BodSchV
(ohne für Bodenbelastungen offensichtlich irrelevante Nutzungen, wie z.B. Wasserflächen) Kinderspielflächen Wohngebiete Park- und Freizeitanlagen Industrie- und Gewerbegebiete Ackerbau, Gartenbau, Nutzgarten Wohnbauflächen X
X
O
WS
X
X
O
WR
X
X
O
WA
X
X
(O)
WB
X
X
O
Gemischte Bauflächen (X)
MD
(X)
(X)
O
O
MI
(X)
(X)
O
(O)
MK
(O)
(X)
O
Gewerbliche Bauflächen X
GE
(O)
X
GI
X
Sonderbauflächen SOWOCH
(X)
(X)
SOKLINIK
O
(X)
Flächen für Gemeinbedarf Öffentliche Verwaltungen
(X)
Schule
O
X
Kirchen und kirchlichen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen
(X)
Sportlichen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen
O
X
Post
(X)
Schutzbauwerk
(X)
Sozialen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen
O
O
X
Gesundheitlichen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen
X
Feuerwehr
(X)
Kulturellen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen
(O)
Flächen für Sport- und Spielanlagen O
X
Verkehrsflächen (X)
Grünflächen X
Parkanlage
X
Dauerkleingärten
O
(X)
O
Zeltplatz
O
Sportplatz
X
Spielplatz
X
Friedhof
(X)
Flächen für die Landwirtschaft X
Flächen für Wald (X)
Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft
(X)
OErläuterungen:
X = eindeutige Zuordnung gemäß BodSchV (X) = wahrscheinliche Zuordnung gemäß BodSchV
O = im Rahmen der Nutzung zulässige Nutzungsbestandteile
(O) = im Rahmen der Nutzung zulässige Nutzungsbestandteile, jedoch in der Praxis seltenAus Tabelle 1 wird deutlich, daß nicht alle planungsrechtlich zulässigen Nutzungsarten eindeutig einer Nutzung gemäß BodSchV zugeordnet werden können. Insbesondere gilt dies für die nicht explizit ausgewiesenen Nutzungsbestandteile, beispielsweise Kinderspielflächen oder Nutzgärten. Eine Ausnahme bilden hier nur die Kinderspielflächen in Wohngebieten (und Nutzgärten sofern eine Cadmiumbelastung vorliegt). Der unvollständigen Berücksichtigung implizierter Nutzungsbestandteile kommt auch deshalb eine erhöhte Bedeutung zu, da andere Gesetze auf diese Nutzungsbestandteile aufbauen. So sieht z.B. das Niedersächsische Gesetz über Spielplätze in § 5 (2) vor, daß auf einen Spielplatz für Kinder verzichtet werden kann, "... soweit den Spiel- und Bewegungsbedürfnissen der Kinder auf andere Weise entsprochen werden kann". Als konkrete Alternativen werden z.B. Grünflächen, Spielstraßen, Schulhöfe und Sportplätze angeführt. Selbst wenn man diese möglichen Ersatzflächen "nur" auf öffentliche Flächen bezieht, bleibt das Problem, daß die Bodenqualität einer großen Parkanlage (die zum Verzicht auf einen Spielplatz geführt hat) nur mit dem höheren Prüfwert für Park- und Freizeitanlagen bewertet wird und nicht mit dem Wert für Kinderspielflächen. Bei einer Cadmiumbelastung würde dieser Unterschied immerhin 40 mg/kg TM betragen.
Es kann also festgehalten werden, daß eine Diskrepanz zwischen dem Nutzungsbezug der Werte der BodSchV und den planerischen Nutzungen bzw. Nutzungsbestandteilen besteht.
Praktikabilität der Werte im Rahmen der Bauleitplanung
Hinsichtlich der rechtlich definierten Risikowahrscheinlichkeit können die Werte der BodSchV im Rahmen der Bauleitplanung angewandt werden. Zu fordern ist hier die Unterschreitung der Prüfwerte. Im Rahmen der planerischen Abwägung wird man sich jedoch mit der Höhe der Werte auseinandersetzen müssen, da die Werte der BodSchV z.T. erheblich von bisher verwandten Prüfwerten abweichen.
Deutlich wird dies am Beispiel Cadmium. Hier liegen die Werte der BodSchV je nach Nutzung zwischen 0,04 und 60 mg/kg TM. Vergleicht man diese Werte z.B. mit den Länderübergreifenden nutzungs- und schutzgutbezogenen Prüfwerten von EWERS/ VIERECK-GÖTTE (1994), die im Auftrage der Arbeitsgruppe "Prüfwerte" des Altlastenausschusses (ALA) der LAGA, erarbeitet wurden und bei deren Unterschreitung der Gefahrenverdacht i.d.R. als ausgeräumt gelten kann, wird die Diskrepanz deutlich (vgl. Tab. 2).
Im Rahmen der Abwägung muß also im Einzelfall entschieden werden, ob die Prüfwerte nach BodSchV den planerisch notwendigen Schutz gewährleisten. Insbesondere für besonders empfindliche Nutzergruppen (wie z.B. Kinder) ist dies zumindest fraglich, da andere Wertelisten die Werte von EWERS/VIERECK-GÖTTE teilweise sogar noch unterschreiten. So wurde z.B. vor wenigen Monaten in Baden-Württemberg der Prüfwert von 3 mg/kg für Cadmium bei der Nutzungsart Kinderspielflächen in Form einer Verwaltungsvorschrift bestätigt (LfU, 1998). Nicht zur Rechtssicherheit beitragen dürfte auch die in der aktuellen Fassung der BodSchV vorgenommene Ergänzung der Prüfwerte um einen Wert von 2 mg/kg TM Cadmium für Hausgärten, die als Aufenthaltsbereich für Kinder und für den Anbau von Nahrungspflanzen genutzt werden. Diese Hervorhebung legt den (Umkehr)schluß nahe, daß Hausgärten üblicherweise nicht als Aufenthaltsbereich für Kinder und für den Anbau von Nahrungspflanzen genutzt werden.
Außer bei der Höhe der Werte zeigen sich noch weitere Schwierigkeiten bei der Umsetzung der BodSchV.
Tab. 2: Vergleich der Prüfwerte für Cadmium nach BodSchV mit Prüfwerten nach EWERS/VIERECK-GÖTTE (1994)
NutzungPrüfwerte nach
BodSchV
in mg/kg TMPrüfwerte nach EWERS/VIERECK-GÖTTE
in mg/kg TSAckerbau, Gartenbau, Nutzgarten 0,04
1 2
Hausgärten
(bei Nutzung als Aufenthaltsbereich für Kinder und Anbau von Nahrungspflanzen)
2
1 2Vorsorgewert für empfindliche Nutzungen 0,4 1,5
-
Kinderspielflächen 10
6
Grünland 15
-
Wohnbauflächen (einschließlich Hausgärten) 20
12
Park- und Freizeitanlagen (einschließlich Anlagen für soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke)
50
30Industrie- und Gewerbegebiete 60
60
In Abb. 2 ist ein Ausschnitt eines "normalen städtebaulichen Entwurfs" für ein neues Wohngebiet dargestellt. Hier wird eine Bebauung in Form von Doppelhäusern vorgeschlagen und durch einen Kindergarten sowie einen kleinen Park, der einen öffentlichen Spielplatz enthält, ergänzt. Für das Wohngebiet ist ein Prüfwert von 20 mg Cadmium pro kg TM anzusetzen, für unbefestigte Flächen die als Kinderspielflächen genutzt werden (z.B. Hausgärten?) 10 mg/kg TM und (speziell bei einer Cadmiumbelastung) 2 mg/kg TM, wenn die Hausgärten als Aufenthaltsbereich für Kinder und für den Anbau von Nahrungspflanzen genutzt werden. Die Prüfwerte für den überwiegenden Teil der Fläche reichen von 10 bis 60 mg Cadmium pro kg TM. Dem in der Parkanlage integrierten Spielplatz wird ein Prüfwert von 10 mg/kg TM zugeordnet, während der restlichen Parkfläche der Wert von 50 mg/kg TM zugeordnet werden muß. Dieser Wert gilt ebenso für den Kindergarten, als "Anlage für soziale Zwecke". Prüfwerte für Verkehrsflächen sind in der BodSchV nicht enthalten. Da die Verkehrsflächen größtenteils versiegelte Flächen sind, könnte der Prüfwert für Industriegebiete Anwendung finden. Diese Vorgehensweise ergibt sich auch aus der Begründung zum § 4 (4) BBodSchG. Hier heißt es, "für Wohngebiete müssen deshalb andere Maßstäbe gelten als für Verkehrsflächen oder gewerbliche Nutzungsflächen, wo Menschen sich nur vorübergehend aufhalten" (BT-Drucksache 13/6701, 1997). Insgesamt ergibt sich so ein Flickwerk von unterschiedlichen Prüfwerten (vgl. Abb. 3).
Sollte das Planungsgebiet nun z.B. eine Cadmiumbelastung von 25 mg/kg TM aufweisen, müßten lediglich im Bereich der Wohnbau- und Kinderspielflächen eine Prüfung erfolgen. Hierbei erscheint es abwägungsrechtlich bedenklich, die Fläche der Kindergartens mit der Begründung eines unterschrittenen Prüfwertes (als "Anlage für soziale Zwecke") von einer Prüfung auszuschließen.
Es kann also festgehalten werden, daß die konsequente Anwendung der Prüfwerte im Rahmen der Bauleitplanung wahrscheinlich zu abwägungsrechtlichen Problemen führen wird.
Möglichkeiten zur Anwendung der Werte in der Bauleitplanung
Die Anwendbarkeit der Werte der BodSchV im Hinblick auf die Bauleitplanung wird also weniger hinsichtlich der Risikowahrscheinlichkeit als vielmehr durch den (unzureichenden) Nutzungsbezug eingeschränkt.
Planungsrechtlich ergeben sich folgende Lösungsmöglichkeiten:
- Festsetzung von Nutzungsbeschränkungen
- Gliederung der Baugebiete
- Schutz des empfindlichsten Nutzungsbestandteils
Geht die Planung von der engen Nutzungsdefinition der BodSchV aus, so müßten auf belasteten Flächen die festgesetzten Nutzungen eingeschränkt werden (1). So müßte z.B. in Wohngebieten die Nutzung als Kinderspielfläche bzw. Nutzgarten räumlich konkret festgesetzt oder untersagt bzw. zeitlich eingeschränkt werden. Rechtlich wäre dies zwar möglich (vgl. dazu ausführlich SCHRÖTER, 1991), doch könnte die Einhaltung dieser Nutzungsbeschränkungen nicht überprüft werden.
Eine andere Alternative (2) liegt in der planungsrechtlichen Gliederung der Baugebiete (vgl. dazu ausführlich SCHRÖTER, 1998). Je nach Schadstoffkonzentration im Boden müßten insbesondere in Mischgebieten die Nutzungsbestandteile (z.B. Wohnen und Gewerbe) getrennt werden. Auf der Grundlage von § 1 BauNVO besteht die Möglichkeit, die Art der baulichen Nutzung auch innerhalb der jeweiligen Gebietstypen planerisch zu steuern. Die Absätze 4 bis 10 des § 1 BauNVO ermöglichen die Gliederung oder/und Einschränkung der Baugebietskategorien. Nach BOEDDINGHAUS/DIECKMANN können nicht nur Nutzungsarten, sondern auch bestimmte Nutzungsformen innerhalb dieser Nutzungsarten eingeschränkt werden (1990, Rdnr. 29 zu § 1 BauNVO). Zu beachten ist jedoch, daß die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben muß (§ 1 (10) BauNVO).
Die Ermächtigung des § 1 (5) BauNVO kann dazu benutzt werden, "... um Fehlnutzungen innerhalb der Baugebiete unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten auszuschließen ..." (BOEDDINGHAUS / DIECKMANN, 1990, Rdnr. 54 zu § 1 BauNVO). In diesem Sinne ermöglicht es beispielsweise der Absatz 9 des § 1 BauNVO, bestimmte Arten der im Baugebiet zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen für unzulässig zu erklären.
Die strikte Trennung der Nutzungen widerspricht aber dem Prinzip der Funktionsmischung (Stadt der kurzen Wege), welches im Sinne der nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung als Forderung an die Bauleitplanung herangetragen wird.
Damit bleibt als Lösungsmöglichkeit nur der Schutz des empfindlichsten Nutzungsbestandteils (3). Die Festsetzung der niedrigsten Anforderungen, z.B. der Werte für Kinderspielplätze in allen Wohngebieten, würde auch dem Vorsorgegrundsatz der Planung entsprechen. Die rechtliche Absicherung dieser Vorgehensweise ergibt sich dabei aus dem § 4 (4) BBodSchG, der die Beachtung des sich aus der planungsrechtlich zulässigen Nutzung des Grundstücks ergebenden Schutzbedürfnisses fordert. In der Begründung zum § 4 (4) BBodSchG heißt es "Im Bereich Wohnen ist auch dem besonderen Schutzbedürfnis von Kleinkindern, Kranken und alten Menschen Rechnung zu tragen" (BT-Drucksache 13/6701, 1997). In diesem Sinne müssen auch die Ausführungen von Holzwarth et. al. im Kommentar zum BBodSchG verstanden werden: "Weicht die tatsächliche Nutzung einer Fläche von der planungsrechtlich zulässigen Nutzung ab etwa wenn Kinder ... ihr Spiel außerhalb der als Spielflächen gewidmeten Grundstücke fortsetzen - so ist, wenn von der fraglichen Fläche Gefahren für die dem Zulässigen widersprechende Nutzung ausgehen, die nicht zulässige Nutzung zu verhindern in den Beispielfällen etwa durch einen Zaun - oder es sind Maßnahmen durchzuführen, die auch hinsichtlich einer bekannten oder naheliegenden unzulässigen Nutzung der Fläche Gefahren beseitigen. Letzteres ist insbesondere geboten, wenn die unzulässig Nutzung nicht zuverlässig ausgeschlossen werden kann und gravierende Gefahren drohen" (1998, Rdnr. 139 zu § 4 (4) BBodSchG).
In letzter Konsequenz würde dies aber fast überall die Anwendung der Prüfwerte für Kinderspielflächen bedeuten, d.h. diese Konsequenz kann nicht Sinn des Nutzungsbezugs der Werte der BodSchV gewesen sein.
Zusammenfassung
Anfang des Jahres wurde nach langen Verhandlungen das Bundesbodenschutzgesetz verabschiedet. In der Bodenschutz- und Altlastenverordnung, als Teil des untergesetzlichen Regelwerkes zum BBodSchG, werden nutzungsbezogene Werte für die Sanierung von Altlasten festgelegt.
Die Wiedernutzung von sanierten Altlasten bzw. die Nutzung belasteter Flächen setzt voraus, daß der Boden eine Qualität aufweist, die für die vorgesehene Nutzung ausreicht. Im Rahmen der Bauleitplanung sind dabei die Grundsätze der Vorsorge zu beachten. Bauleitplanung bedeutet Zukunftssicherung für künftige Generationen. Es gelten somit weitreichendere Anforderungen an die Beurteilung von Bodenbelastungen, als dies bei der Beurteilung von Altlasten der Fall ist. Dies wird auch dadurch deutlich, daß im Rahmen des Bauordnungsrechts - im Gegensatz zum Ordnungsrecht - nicht von "Gefahren" im Zusammenhang mit Verunreinigungen des Bodens gesprochen wird. Bei der Auswahl der Beurteilungsmaßstäbe müssen neben den Vorsorgeaspekten auch die Anforderungen der geplanten Nutzung berücksichtigt werden.
Wie aufgezeigt werden konnte, lassen sich die Schutzzwecke der Werte der BodSchV den Schutzanforderungen der Bauleitplanung zuordnen. Allerdings führt der in der BodSchV enthaltene Nutzungsbezug durch die gewählten Nutzungsarten zu Problemen, wenn die Werte in der Bauleitplanung angewandt werden.
Eine Nutzung besteht, entsprechend den rechtlichen Anforderungen der Baunutzungsverordnung, aus mehreren Bestandteilen. Zusätzlich müssen unter Vorsorgegesichtspunkten weitergehende Anforderungen der unterschiedlichen Nutzungsbestandteile (z.B. mit Hilfe von Indikatoren) berücksichtigt werden. So gehören z.B. zu allen Arten von Wohngebieten auch Kinderspielflächen und Nutzgärten. Unterschiedliche Grenzwerte für Wohngebiete, Kinderspielflächen und Hausgärten, die zum Anbau von Nahrungspflanzen genutzt werden, (wie in der Bodenschutzverordnung vorgesehen) sind daher für die Bauleitplanung nicht praktikabel.
Die Diskussion von mehreren Lösungsansätzen zeigt, daß der Schutz des empfindlichsten Nutzungsbestandteils zu fordern ist. Diese Vorgehensweise entspricht dem Vorsorgegrundsatz der Planung und ist auch rechtlich durch die Anforderungen des § 4 (4) BBodSchG abgesichert.
Literatur
Baugesetzbuch
vom 27. August 1997, BGBl. I S. 2141 ff.BT-Drucksache 13/6701
"Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Bodens", vom 14.01.1997Boeddinghausen, G. und Dieckmann, J.
"Baunutzungsverordnung -Kommentar-", 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, 1990, Verlag für Verwaltungspraxis Franz RehmBundesbodenschutzgesetz
"Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz BBodSchG)", vom 17. März 1998, BGBl. I S. 502 ff.Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
Urteil vom 25.2.1969, -I C 7.68-, in: DVBl., 1969, S. 586 587Ewers, U.; Viereck-Götte, L.
"Ableitung und Begründung länderübergreifender nutzungs- und schutzgutbezogene Prüfwerte zur Beurteilung von Bodenverunreinigungen", Teil 2, in: Altlasten-Spektrum, Heft 4/1994, S. 222 ff.Feldhaus, G.
"Bundesimmissionsschutzrecht", Band 1 A, Kommentar, 2., völlig überarbeitete Auflage, Stand: 28. Erg.-Lfg. vom April 1988, WiesbadenFeldhaus, G.
"Der Vorsorgegrundsatz des BImSchG", in: Deutsches Verwaltungsblatt, Heft 4, 1980, S. 133 ff.Holzwarth, F.; Radtke, H. und Hilger, B.
"Bundes-Bodenschutzgesetz Handkommentar", (Bodenschutz und Altlasten; Bd. 5), Erich Schmidt Verlag, Berlin 1998Kühling, W.
"Planungsrichtwerte für die Luftqualität", Hrsg.: Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen (ILS), Dortmund, 1986LfU (Landesanstalt für Umweltschutz), Hrsg.
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in: Ernst, W./Zinkhahn,W./Bielenberg, W.; Bundesbaugesetz Kommentar zu § 1 Rdnr. 194, München, (Loseblattsammlung), zitiert nach Kühling, W.; 1986Schröter, F.
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"Mögliche Nutzungseinschränkungen aufgrund von Bodenbelastungen im Rahmen der Bebauungsplanung" in TerraTech, Heft 1, S. 53 ff., Januar 1997