Stand: 25. Jun 08 |
Energieeinsparung
in Neubau und Bestand
Exkursionsbericht
von
Dr.
Frank Schröter
Die Exkursion fand im Rahmen der Treffen der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover statt. In der wärmeren Jahreszeit wird das Regionalgruppentreffen durch eine Exkursion (mit Führung) zu einem planerischen Thema eingeleitet. |
Am 04. Juli 1997 besichtigten 7 Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover im Rahmen des vierteljährlich stattfindenden Regionalgruppentreffens im Sanierungsgebiet Nordstadt der Stadt Hannover einige Gebäude, die unter Energieeinsparungsgesichtspunkten modernisiert wurden. Begonnen haben wir mit dem Mehrfamilienhaus Engelbosteler Damm 102, das im Rahmen des THERMIE-Altbau-Programms der Stadtwerke Hannover von 1994 - 1996 modernisiert wurde. Manfred Görg, Mitarbeiter bei den Stadtwerken und ein Raumplaner der ersten Generation, erklärte sich freundlicherweise bereit unsere Gruppe zu führen. Unterstützt wurde er dabei von Herrn Rother, von der Abteilung für Sanierung des Stadtplanungsamtes Hannover.
Das Gebäude Engelbosteler Damm 102 zählt zu den Demonstrationsvorhaben des THERMIE-Altbau-Programms. Ziel des Programms der Stadtwerke ist "der Einstieg in eine Offensive zur breiten Erschließung der Potentiale der Primärenergieeinsparung und CO2-Reduzierung" speziell im Bereich des Mietwohnungsbestandes. Zur Demonstration der Einsparmöglichkeiten in der Praxis wurden etwa 30 Mehrfamilien-Miethäuser durch die Stadtwerke vorbildlich saniert. Bei diesen, vor 1968 erbauten Gebäuden, standen umfangreiche Unterhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen an Fassaden, Dächern oder Heizungen an. Die Erfahrungen aus diesen Demonstrationsvorhaben haben dazu geführt, daß die Maßnahmen der Stadtwerke mittlerweile als Standard in die Sanierung der Stadt Hannover eingegangen sind.
Beim Gebäude Engelbosteler Damm 102 wurden folgende Maßnahmen zur Verbesserung des baulichen Wärmeschutzes durchgeführt:
- Thermohaut an der Außenwand bzw. Innendämmung an der Außenwand
- Ersatz der alten einfachverglasten Fenster durch neue Wärmeschutzverglasung
- Dämmung: Dach, Keller, oberste Geschoßdecke
- Anlage zur kontrollierten Lüftung (dez. Zu- und zentr. Abluft)
- Zentralisierung der Heizung und Warmwasserbereitung mit Gas-Brennwerttechnik
Außerdem wird die Sonnenenergie zur Warmwasserbereitung genutzt. Insgesamt wurde eine Heizenergieeinsparung von 74 % gegenüber dem ursprünglichen Zustand errechnet. Zusätzlich konnte durch die Nutzung von Regenwasser als Brauchwassser für Toiletten der Frischwasserverbrauch um ca. 60 % gesenkt werden.
Die vorgesehene Evaluierung der tatsächlichen Heizenergieeinsparung war für dieses Projekt noch nicht möglich, da wegen Ausfall eines Wärmemengenzählers für das Projekt noch keine verwertbaren Daten vorliegen. Im Durchschnitt der Projekte liegt die nach einer Heizperiode gemessene Einsparung mit 50 % jedoch um etwa 10 Prozentpunkte unter dem errechneten Durchschnittswert von 60 %. Diese Abweichung dürfte sich, wie Manfred Görg erklärte, im wesentlichen durch zwei Faktoren des "nicht berechenbare" Nutzerverhalten erklären lassen:
- Verbesserung des Wärmekomforts: Die Gebäude werden nach der Modernisierung im Mittel auf höhere Temperaturen beheizt. Zum einen "gönnt man sich" aufgrund des besseren Dämmstandards nun etwas höhere Raumtemperaturen. Zum Teil ist aus Mieteräußerungen aber auch bekannt, daß vor der Modernisierung die gewünschten Temperaturen nicht immer erreicht werden konnten. Bei der Berechnung wurde dagegen vor und nach der Modernisierung jeweils der gleiche Wärmekomfort unterstellt. Ein Grad Raumtemperaturerhöhung hat eine Verbrauchserhöhung von ca 5 % zur Folge. Ein gewisser Mehrverbrauch aufgrund einer Verbesserung des Wärmekomforts wird vermutlich als dauerhafter Effekt zu kalkulieren sein.
- Falsches Lüftungsverhalten: Bei den monatlichen Verbrauchsablesungen konnte beobachtet werden , daß Dauerlüften über die Kippstellung von Fenstern auch bei niedrigen Außentemperaturen immer noch weit verbreitet ist, obwohl eine Lüftungsanlage eingebaut wurde, die einen hygienisch ausreichenden Luftwechsel in den Wohnräumen bei möglichst geringen Wärmeverlusten garantiert. Dieses falsche Lüftungsverhalten führt natürlich zu höheren Lüftungswärmeverlusten, als rechnerisch für den hygienisch erforderlichen Luftwechsel angesetzt wurde. Hier wird eine beabsichtigte intensive Aufklärung der beteiligten Haushalte in der nächsten Heizperiode zeigen, inwieweit dieses Verhalten korrigiert werden kann. Im Falle des Gebäudes Engelbosteler Damm 102 ist zur "pädagigischen" Unterstützung eine automatische Heizkörperabschaltung bei Kippstellung eines Fensterflügels eingebaut worden. Exemplarisch soll hier getestet werden, ob ein solcher Mechanismus, der ja zusätzliche Kosten verursacht, generell empfohlen werden kann und wie lange dieser Mechanismus funktioniert. Auf die Möglichkeit, Fenster ohne Kippmöglichkeit einzubauen wurde verzichtet, da die Kipplüftung im Sommer durchaus sinnvoll sein kann.
Die Mietpreise im Gebäude Engelbosteler Damm 102 liegen trotz modernisierungsbedingter Mieterhöhung bei 7,60 DM/m2 plus Nebenkosten, wobei sich die Nebenkosten durch die energetischen Modernisierungsmaßnahmen halbiert haben.
Das Mietshaus Engelbosteler Damm 102 gehört zum Bäte-Block. Insgesamt umfaßt dieser Block 290 Wohneinheiten. Die Modernisierungen im Bäte-Block wurden von mehreren Bauträgern ausgeführt, wobei auch eine Einigung hinsichtlich der gemeinsamen Gestaltung des Blockinnenbereichs gefunden wurde. Die ökologische Neugestaltung des Innenbereichs bietet insbesondere für die 140 Kindern des Blockes vielfältigen Qualitäten, die gut angenommen werden. Die Umsetzung der ökologischen Ziele wird u.a. über eine Mieterbetreuung gewährleistet. Zu erwähnen ist auch, das die GBH als Bauträger, ein Gebäude für alleinerziehende Mütter und Väter bereitgestellt hat.
Als zweites Objekt sahen wir uns das Mietshaus Heisen-Str. 29 an. Die Besitzerin, Frau Deyda, erläuterte uns die am Haus vorgenommenen Modernisierungen. Probleme mit den Mietern gab es während der Modernisierung nicht, da einige Wohnungen bereits leerstanden bzw. nach und nach frei wurden. Lediglich eine Mieterin, die schon über 25 Jahre im Gebäude wohnt, bewohnt auch nach Abschluß der Modernisierungen das Gebäude noch. Die Modernisierungsmaßnahmen im einzelnen:
- Einbau einer Gaszentralheizung (Ersatz der Gasetagenheizung, Kohleöfen bzw. erstmaliger Einbau einer Heizung)
- Dachgeschoßausbau
Hier erwies sich im nachhinein die Ausführung der Dämmung als mangelhaft. Die Überprüfung der Luftdichtheit der Gebäudehülle mit dem "blower door" Verfahren ergab n50-Werte von 10 h-1, die weit über den für Altbauten üblichen n50-Werten von bis zu 3 h-1 liegen. Hier entstand, wie Frau Deyda bemerkte, nun die paradoxe Situation, daß die alten Wohnungen nach der Modernisierung über eine bessere Luftdichtigkeit verfügen, als die neuausgebaute Dachgeschoßwohnung.
- 12 cm dicke Fassadendämmung
Die Straßenseite des Gebäudes durfte aufgrund des Denkmalschutzes nicht gedämmt werden. Beim Hinterhaus war für eine Außenwand die Zustimmung des Grünflächenamtes notwendig, da der Spielplatz auf dem angrenzenden Grundstück in die Zuständigkeit des Amtes fällt und durch die Dämmung der Luftraum über dem Grundstück in Anspruch genommen werden muß. Nach einigen Verhandlungen erfolgte die Zustimmung unter der Maßgabe, daß etwaige haftungsrechtliche Ansprüche aus der Nutzung des Spielplatzes (z.B. Beschädigung der Thermohaut) vertraglich ausgeschlossen werden.
Die Kosten dieser Maßnahmen wurden, mit Ausnahme der Zuschüsse aus dem THERMIE-Programm, allein von der Eigentümerin getragen. Die städtischen Zuschüsse von 65 - 70 % der Modernisierungskosten wurden nicht in Anspruch genommen. Vielleicht liegt der Grund in den Rahmenbedingungen für die Zuschußvergabe: ein städtisches Belegungsrecht für 24 Jahre und 10 Jahre keine Mieterhöhungen?
Bei diesem Objekt deckte sich die berechnete Energiekennzahl von ca. 120 kWh/m2a nach Modernisierung und damit auch die Heizenergieeinsparung von etwa 65 % sehr gut mit den evaluierten Verbrauchswerten.
Im Gegensatz zur berechenbaren Energieeinsparung kann, nach Aussage von Frau Dayda, die Frage der Evaluierung der erzielten Heizkostenersparnis für dieses Objekt nur schwer beantworten werden, da:
- das Gebäude z.T. aufgrund von leerstehenden Wohnungen nicht vollständig beheizt wurde
- teilweise überhaupt keine Heizungen vorhanden waren
- vor der Modernisierung weniger Wohnfläche vorhanden war (Dachgeschoßausbau!)
- die Mieter gewechselt haben und sich somit auch das Heizverhalten verändert hat
- der übliche Zeitraum für solche Evaluierungen (eine Heizperiode) Besonderheiten, wie z.B. längere Mieterurlaube, strenge/milde Winter nicht berücksichtigt
Auf die Frage, ob beabsichtigt ist, den fast vollständig versiegelten Innenhof des Grundstückes zu entsiegeln, verwies Frau Deyda auf den unverhältnismäßig hohen Aufwand für die Entsiegelung. Der frühere Eigentümer hatte aufgrund der Nutzung des Gebäudes für eine Spedition die Versiegelung Lkw-tauglich ausgelegt. Die Frage an Herrn Rother, ob Entsiegelungsmaßnahmen im Rahmen der Sanierung von der Stadt gefördert werden, führte zu einem zufriedenstellenden Lösungsvorschlag. Im Rahmen der Sanierung übernimmt die Stadt die Entsiegelung der Flächen (incl. Beseitigung des Bauschutts) und die Aufschüttung des Mutterbodens. Die Eigentümerin muß dann für die Bepflanzung Sorge tragen. Frau Deyda zeigte sich angetan von diesem für sie neuen Vorschlag, so konnte sich die IfR-Regionalgruppe bei Frau Deyda auf diesem Wege für die freundliche Erläuterung der Modernisierungsmaßnahmen erkenntlich zeigen.
Beim abschließenden Rundgang durch das Sanierungsgebiet Nordstadt gab es für einige Teilnehmer ein Aha-Erlebnis. Die Teilnehmer, die schon 1996 bei der Besichtigung des unter ökologischen Gesichtspunkten modernisierten Gebäudes in der Rehbockstraße dabei waren, konnten sehr deutlich die Sanierungsfortschritte im Gebiet ausmachen. Ehemals brachliegende Grundstücke hatten sich in ansprechende Spiel- und Verweillandschaften verwandelt, die offensichtlich von den Bewohnern des Quartiers gut angenommen werden. In diesem Zusammenhang wurde die Anregung geäußert, auch 1998 wieder eine Exkursion in die Nordstadt zu machen, um weitere Fortschritte sehen zu können.
Die Exkursion ließen wir im Block -Wolle und Watte- ausklingen. Hier wurden ehemalige Fabrikanlagen zu einem harmonischen Miteinander von Gewerbe und Wohnnutzung "recycelt". Die angegliederte Gaststätte mit kleinem Vorplatz und Möglichkeit das Geschehen im Quartier zu beobachten lud zum Verweilen ein, was wir auch gerne taten. In dieser gemütlichen Atmosphäre erläuterte Manfred Görg die Pläne der Stadtwerke für eine Nullenergiesiedlung auf Basis des Passivhausstandards als EXPO 2000-Projekt am Kronsberg. Die ausführliche Darstellung dieses Vorhabens würde den Exkursionsbericht sprengen. Vielleicht nur soviel, daß die Realisierung der geplanten Energiesparhäuser mit ca. 100 m2 Wohnfläche für 300.000 DM (incl. Grundstück und Erschließungskosten) den Baumarkt der Region nachhaltig verändern werden. Die IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover wird das Projekt im Auge behalten. Die Exkursion im Jahre 1999 bzw. 2000 ist bereits vorgemerkt.