Stand: 25. Jun 08 |
Nutzungszuordnung
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Die Rechtsprechung hat aus § 50 BImSchG, wie im folgenden aufgezeigt wird, einige Anforderungen an die Nutzungszuordnung im Rahmen der räumlichen Planung abgeleitet. Hier sind insbesondere zu nennen:
Durch den § 50 BImSchG wird ein wichtiger Planungsgrundsatz zur Zuordnung unterschiedlicher Nutzungen festgelegt, woraus sich für die Planung ergibt, daß die aus dem Nebeneinander verschiedener Gebietsarten resultierenden Konflikte nicht nur immissionsschutzrechtlich zu steuern sind, sondern - soweit möglich und erforderlich - bereits planerisch gelöst werden müssen (Vorsorgeprinzip). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Problembewältigung macht den Bebauungsplan unwirksam, wenn der Konflikt durch das planungsrechtliche Instrumentarium lösbar ist.
Staffelung der Nutzung entsprechend ihrer Schutzwürdigkeit nach BauNVO
Dementsprechend hat die Rechtsprechung schon seit längerem den Grundsatz aufgestellt, daß unverträgliche Gebietsnutzungen, insbesondere Industriegebiete und Wohngebiete, nach Möglichkeit räumlich angemessen voneinander zu trennen sind (BVerwG, DVBl 1974, 767 (775 ff.)). Gefordert ist daher eine Planung, welche die in der Baunutzungsverordnung vorgegebene Abstufung der Baugebiete nach der Schutzwürdigkeit der in ihnen zulässigen Nutzungen berücksichtigt. Vielfach wird hieraus die Forderung abgeleitet, daß die einzelnen Baugebiete immer lückenlos nach dem Grad ihrer Schutzwürdigkeit gestaffelt werden müssen, also in der Reihenfolge:
So wird beispielsweise in der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 19.5.1972 (MABl S. 295) anläßlich der Einführung der Vornorm zu DIN 18005 - Blatt 1 - (Schallschutz im Städtebau) hinsichtlich des Lärmschutzes gefordert, daß die Planungsrichtpegel aneinandergrenzender Baugebiete sich in der Regel um 5 dB(A) unterscheiden sollen. Im Hinblick auf die für die einzelnen Gebietstypen geltenden Planungsrichtpegel (Vornorm DIN 18005 Tabelle 4) würde dies bedeuten, daß reine Wohngebiete, allgemeine Wohngebiete, Mischgebiete, Gewerbegebiete und Industriegebiete (letztere jedenfalls was den Tagesrichtpegel anbelangt) nur in dieser Staffelung nebeneinanderliegen dürfen und keines der Zwischenglieder übersprungen werden darf.
Ein derartiger Schematismus läßt sich aus den planungsrechtlichen Vorschriften jedoch nicht ableiten. Für Fälle besonders offenkundiger Unverträglichkeit von Nutzungen, wie etwa von Wohnen und Industrie, kann zwar die das Planungsrecht beherrschende typisierende Betrachtungsweise zu einer Unzulässigkeit des Nebeneinanders führen, ohne daß es noch näherer Untersuchungen bedürfte. Bei weniger deutlichen Konfliktfällen kann die planerische Entscheidung jedoch nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles getroffen werden.
Abstände zwischen sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen
Es gibt vielfältige, immer von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten abhängende Möglichkeiten der Planung, die dem § 50 BImSchG gerecht werden können, z.B. die Schaffung gewisser Zwischenräume, so daß Wohngrundstücke und Grundstücke von denen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen nicht unmittelbar aneinandergrenzen. Eine Hilfe zur Definition dieser Zwischenräume bietet hier der Abstandserlaß aus Nordrhein-Westfalen.
Ziel des Abstandserlasses ist es:
daß bei Einhaltung oder Überschreitung der angegebenen Abstände Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche beim bestimmungsgemäßen Betrieb der entsprechenden Anlage in den umliegenden Wohngebieten nicht entstehen, wenn die Anlage dem Stand der Technik entspricht. |
Hierzu werden in einer Abstandsliste Abstandswerte zwischen 100 und 1.500 m aufgeführt und folgenden sieben Abstandsklassen zugeordnet:
- Abstandsklasse I (1.500 m)
z.B.: Raffinerien
- Abstandsklasse II (1.000 m)
z.B.: Anlagen zur Tierkörperbeseitigung
- Abstandsklasse III (700 m)
z.B.: Kraftwerke (150 - 900 MW)
- Abstandsklasse IV (500 m)
z.B.: Kühltürme (10.000 m3 Wasser)
- Abstandsklasse V (300 m)
z.B.: Papierherstellung
- Abstandsklasse VI (200 m)
z.B.: Massentierhaltung
- Abstandsklasse VII (100 m)
z.B.: Autolackierereien
Der Abstandserlaß ist lediglich für die Staatlichen Umweltämter in Nordrhein-Westfalen verbindlich. Da sich die angegebenen Abstände im Rahmen der Bauleitplanung als geeignet erwiesen haben, die Ziele des § 50 BImSchG umzusetzen, findet der Abstandserlaß mittlerweile auch in den anderen Bundesländern Beachtung und wird ggf. bei Gerichtsverfahren berücksichtigt.
Immissionsschutzrechtliche Festsetzungen im Bebauungsplan
Darüber hinaus gibt es aber auch bauliche und technische Vorkehrungen, die aus geringen Abständen sich sonst ergebende Unzuträglichkeiten zu vermeiden helfen.
So kann z.B. durch die Festsetzung von Lärmschutzwällen am Rande eines Gewerbegebiets sowie die Beschränkung der gewerblichen Betätigung in dem daran anschließenden eingeschränkten Gewerbegebiet dem Trennungsgrundsatz im erforderlichen Umfang Rechnung tragen. Hierbei muß gewährleistet werden, daß von der gewerblichen Nutzung keine Immissionen ausgehen, die den Bewohnern des Wohngebietes billigerweise nicht zugemutet werden können.
Gliederung der Nutzungen nach BauNVO
Die erstrebenswerte Staffelung aneinandergrenzender Gebiete kann z.B. auch durch eine Gliederung eines Baugebietstypes nach § 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) erreicht werden. Hier besteht die Möglichkeit, die Art der baulichen Nutzung auch innerhalb der jeweiligen Gebietstypen planerisch zu steuern. Die Absätze 4 bis 10 des § 1 BauNVO ermöglichen die Gliederung oder/und Einschränkung der Baugebietskategorien. Nach BOEDDINGHAUS/DIECKMANN können nicht nur Nutzungsarten, sondern auch bestimmte Nutzungsformen innerhalb dieser Nutzungsarten eingeschränkt werden (1990, Rdnr. 29 zu § 1 BauNVO). Zu beachten ist jedoch, daß die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben muß (§ 1 (10) BauNVO).
Die Ermächtigung des § 1 (5) BauNVO kann dazu benutzt werden, "... um Fehlnutzungen innerhalb der Baugebiete unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten auszuschließen ..." (BOEDDINGHAUS / DIECKMANN, 1990, Rdnr. 54 zu § 1 BauNVO). In diesem Sinne ermöglicht es beispielsweise der Absatz 9 des § 1 BauNVO, bestimmte Arten der im Baugebiet zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen für unzulässig zu erklären.
Voraussetzung zur Anwendung der
Gliederungsmöglichkeiten der BauNVO ist das Vorliegen städtebaulicher Gründe, zu
denen ohne Zweifel auch die Belange des Umweltschutzes zählen.
BOEDDINGHAUS/DIECKMANN geben folgende Voraussetzungen für das
Vorliegen städtebaulicher Gründe an:
"Es reicht aus, wenn es spezielle, d.h. auf konkrete
Besonderheiten des einzelnen Falles abstellende städtebauliche
Gründe gerade für die gegenüber § 1 Abs. 5 noch feinere
Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen gibt"
(1990, Rdnr. 84 zu § 1 BauNVO).
In der Begründung zum Bebauungsplan sind die planerischen Überlegungen, die zu Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 des § 1 BauNVO geführt haben, darzulegen.
Bei der Anwendung des planungsrechtlichen Instrumentariums ist aber auch zu berücksichtigen, daß sich die Bauleitplanung nicht ausschließlich an den Belangen des Immissionsschutzes ausrichten kann, da bei der Planung die unterschiedlichsten Belange berücksichtigt werden müssen. Festzuhalten bleibt dennoch, daß bei der Abwägung den Belangen des Immissionsschutzes dann eine herausragende Bedeutung zukommt, wenn die zu erwartenden Konfliktsituationen besonders schwerwiegend sind. So wird beispielsweise ein Industriegebiet neben einem Wohngebiet in der Regel - d.h. fast ausnahmslos - unzulässig sein. (vgl. VGH München vom 22.03.1982, 25 XIV/78, NJW '83, S. 0297)
Aus dem in § 50 BImSchG niedergelegten Vorsorgeprinzip ergibt sich, daß die Planung nebeneinander auszuübender, aber unter Umweltgesichtspunkten nicht verträglicher Nutzungen in aller Regel unzulässig ist. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß das in § 50 BImSchG niedergelegte Vorsorgeprinzip nicht isoliert gesehen werden darf, sondern im Gesamtzusammenhang des Umweltschutzrechts und insbesondere im Zusammenhang mit dem Verursacherprinzip. § 50 BImSchG besagt, daß Umweltschutzprobleme durch vorausschauende Planung möglichst verhindert werden sollen.
"Das Vorsorgeprinzip besagt allerdings nicht, zu wessen Lasten der Konflikt gelöst werden soll, d.h. insbesondere ob zu Lasten des emittierenden Betriebs oder zu Lasten der umgebenden Wohnbebauung. Hier setzt das Verursacherprinzip ein, das dem emittierenden Betrieb auferlegt, selbst gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen Vorsorge zu treffen (§ 5 BImSchG). Dieses Prinzip schließt es aus, Umweltschutzprobleme in jedem Fall zugunsten des emittierenden Betriebs zu lösen und diesem gewissermaßen von vornherein eine Schutzzone zuzubilligen, in die die Wohnbebauung nicht eindringen darf. Auf der anderen Seite müssen Betreiber emittierender Anlagen - schon um des Schutzes ihres Eigentums willen - aber auch eine gesicherte Rechtsstellung erlangen können, die sie vor der Vertreibung ihres Betriebes oder, zumindest in gewissem Umfang, vor Beeinträchtigung des Betriebs durch heranrückende Wohnbebauung schützt. Dieser Schutz wird durch planerische Festsetzungen und in der Regel durch die Erteilung der Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz verliehen." (VGH München vom 22.03.1982, 25 XIV/78, NJW '83, S. 0297). |
Nach dem Urteil des BVerwG vom 12. 12. 1975 (BVerwGE 50, 49 ff. = DVBl 1976, 214) ist die Grundstücksnutzung in den Bereichen, in denen Gebiete von unterschiedlicher Qualität und unterschiedlicher Schutzwürdigkeit zusammentreffen, mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet. Dies führt nicht nur zur Pflichtigkeit dessen, der Belästigungen verbreitet, sondern auch - i.S. der Bildung einer Art von Mittelwert - zu einer die Tatsachen respektierenden Duldungspflicht dessen, der sich in der Nähe von legalen Belästigungsquellen ansiedelt.
Festsetzung von immissionsmindernden Maßnahmen im Rahmen der Genehmigung nach BImSchG
Die Genehmigung von (genehmigungsbedürftigen) Anlagen kann gemäß § 12 BImSchG mit Nebenbestimmungen versehen werden, wenn dies zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 BImSchG erforderlich ist.
Nebenbestimmungen sind:
Die Unterscheidung bereitet in manchen Fällen Schwierigkeiten, ist aber aus Rechtsschutzgründen wichtig, da Auflagen u.U. isoliert anfechtbar sind, während dies bei Bedingungen nicht möglich ist.
Die Folgen einer erteilten Genehmigung sind:
Gestattungswirkung
Mit der Genehmigung wird für den Genehmigungsinhaber das Verbot,
genehmigungsbedürftige Anlagen zu errichten oder zu betreiben,
außer Kraft gesetzt. Das bedeutet, so wie die Anlage im Bescheid
genehmigt wird, so darf sie errichtet und betrieben werden.
Auflagen können ab Eintritt der Gestattungswirkung nur noch
nachträglich aufgrund § 17 BImSchG erteilt werden.
Gestaltungswirkung
Die Genehmigung wirkt gestaltend auf die Rechte Dritter ein. Ist
die Genehmigung einer Anlage unanfechtbar geworden, so kann die
Einstellung des Betriebes aufgrund privatrechtlicher
Abwehransprüche nicht mehr verlangt werden. Statt dessen können
nur noch Surrogatansprüche geltend gemacht werden.
Privatrechtliche Abwehr- bzw. Beseitigungsansprüche sind demnach mit der Unanfechtbarkeit der Genehmigung ausgeschlossen. Solche privatrechtlichen Abwehr- bzw. Beseitigungsansprüche sind etwa der nachbarrechtliche Abwehranspruch aus § 906 BGB und der Störbeseitigungsanspruch aus § 1004 BGB. Abwehransprüche, die auf besonderen Titeln beruhen (das sind im wesentlichen vertragliche Ansprüche, auf Grund derer der Betrieb der Anlage ganz oder teilweise untersagt werden kann), bleiben bestehen.
Gemäß § 14 BImSchG können aber Vorkehrungen verlangt werden, die die benachteiligende Wirkung der Anlage ausschließen. Dabei ist etwa an Lärmschutzeinrichtungen oder den Einbau von Filteranlagen zu denken. Solche Vorkehrungen können aber nur verlangt werden, wenn diese technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar sind. Ist dies nicht der Fall, dann kann lediglich Schadensersatz verlangt werden.
Konzentrationswirkung
Die immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigung schließt
andere, die Anlage betreffenden behördlichen Entscheidungen mit
ein. Das sind insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen,
Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnisse und Bewilligungen. Als
wichtigste Vorschriften, die durch die Konzentrationswirkung
eingeschlossen werden, sind die baurechtlichen und die
naturschutzrechtlichen zu nennen.
Literatur:
Interessante Links:
"Zukunftsorientierte Lösungsansätze für Raumnutzungskonflikte in einem
agrarischen Intensivgebiet"
Studienprojekt der Studenten der Studiengänge Umweltwissenschaften und Umweltmonitoring an der Hochschule Vechta.