Stand: 15. November 2016 |
Herbstvortrag 2014
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Nördliches Ringgebiet
- von der Rahmenplanung über den städtebaulichen Wettbewerb
zum B-Plan
Veranstaltungsbericht von Dr. Frank Schröter
(Sprecher der IfR-Regionalgruppe)
unter diesem Titel stand der diesjährige Herbstvortrag
der Regionalgruppe Niedersachsen (Braunschweig / Hannover) des
Informationskreises für Raumplanung e.V. (IfR). Der in bewährter Zusammenarbeit
mit dem Institut für Verkehr und Stadtbauwesen der TU Braunschweig organisiert
wurde und am 7. November 2014 in Braunschweig stattfand. Der Vortrag wurde von
Georg Dirks und Bernd Schmidbauer gehalten, die beide vom Fachbereich
Stadtplanung und Umweltschutz der Stadt Braunschweig sind.
Der Vortrag zum nördlichen Ringgebiet ist
auf sehr großes Interesse in der Region gestoßen. Neben
interessierten IfR-Mitgliedern sind Bürgerinnen und Bürger,
Vertreter der umliegenden Gemeinden, sonstiger planender
Institutionen und Vertreter der politischen Parteien gekommen. Das
Interesse war so groß, dass die Kapazitäten des Seminarraums voll
ausgeschöpft werden mussten.
In den nächsten Jahren soll mit dem
nördlichen Ringgebiet Braunschweigs größtes neues Wohnbauprojekt
rund um den Nordbahnhof realisiert werden. In dieser
innenstadtnahen Lage können bis zu 1.000 neue Wohnungen entstehen.
Diese Planung ist das größte städtisch geprägte Wohnbauprojekt
seit den 70er Jahren in Braunschweig.
Zunächst erläuterte Georg Dirks die
Rahmenbedingungen, u.a. die Notwendigkeit weitere Wohnbauflächen
zu entwickeln. Das nördliche Ringgebiet war in der Vergangenheit
von einem gewissen Wildwuchs geprägt. Ein übergreifendes Konzept
fehlte. Historisch nahm das Gebiet eine Versorgungsfunktion war
(Schlachthof, Gas- und Lichtwerke, Nordbahnhof,
Desinfektionsanstalt, etc.). Das Gebiet ist geprägt durch ein
Gemisch von Wohnen und gewerblicher Nutzung, die jedoch nicht
immer verträglich sind. Im Laufe der vergangenen Jahre zogen sich
die gewerblichen Nutzungen verstärkt aus dem Gebiet zurück und es
fand ein Nutzungswechsel statt, hin zu verträglicheren Nutzungen
(z.B. Gastronomie, Fitnesscenter, tertiäres Gewerbe). Der konkrete
Planungsanlass ergab sich dann durch den Standortwechsel der
Braunschweiger Zeitung und der Möglichkeit, nicht benötigte
Flächen der ehemaligen Stadtwerke in eine Neuordnung des Gebietes
einzubeziehen.
Im ersten Schritt wurde ein Rahmenplan für
das Gebiet aufgestellt. Hierbei wurde von Anfang an mit den
späteren Investoren (örtliche große Wohnungsunternehmen)
zusammengearbeitet. Konkret hieß das:
Abstimmung des
Nutzungsprogramms
Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen
Wirtschaftliche Machbarkeitsanalyse gemeinsam während der Planung
Mitarbeit der
Wohnungsunternehmen an der verwaltungsinternen
Arbeitsgruppe
Gemeinsamer Prozess der
Namensfindung/Branding
Während der Rahmenplanung wurden die
wichtigsten Eigentümer einzeln beraten und informiert. Die
„Gewinner“ wurden über Entwicklungschancen und die „Verlierer“
über Alternativen der Verlagerung aufgeklärt.
Die Stadt Braunschweig hat bei diesem
Projekt eine intensive Bürgerbeteiligung und einen
städtebaulichen Architektenwettbewerb durchgeführt. Im
Einzelnen erfolgten folgende Beteiligungsschritte:
- 2009
Johannes-Göderitz-Preis (Studierendenwettbewerb)
- Jan.
2013: Planungswerkstatt mit ca. 50 Akteuren aus Politik,
Wohnungswirtschaft, Verwaltung, Eigentümer, Soziale Träger,
Unternehmen, Kirchen, Vereine. Eine professionelle, externe
Moderation gewährleistete einen offenen Prozess, so dass
Chancen und Herausforderungen gemeinsam definiert werden
konnten.
- Febr. 2013: Schaffung einer Internetplattform „Nördliches
Ringgebiet“: Information über alle Dokumente, Film
- April 2013: Offene Informationsveranstaltung zu den
Ergebnissen der Rahmenplanung
- Juni
2013: Grundsatzbeschluss zur Planung und Realisierung des
Projektes durch die politischen Gremien
- Juli
2013: städtebaulicher Architektenwettbewerb
- Dez.
2013: Ausstellung der Ergebnisse des Architektenwettbewerbes
- ab
2014: Weitere Beteiligungsschritte in und außerhalb des
Bauleitplanverfahrens
Diese umfangreiche Beteiligung führte
dazu, dass politische Beschlüsse einstimmig gefasst wurden und
es eine große Zustimmung zur frühen und ergebnisoffenen
Beteiligung der Politik gab. Das Projekt ist seitdem sehr
positiv in der Politik besetzt. Durch den offenen
Beteiligungsprozess wurde eine Vertrauensbasis geschaffen. Die
Akteure (Kleingärtner, Unternehmer, Eigentümer) kennen sich,
wodurch viele unkomplizierte Kontakte zur Verwaltung möglich
sind. Im weiteren Verlauf des Projektes könnten die Akteure
einen projektbegleitenden Beirat bilden.
Außerdem sind bereits erste begleitende
Maßnahmen entstanden, so z.B. ein Schulprojekt zur
ökologischen Stadtentwicklung am Beispiel des Nördlichen
Ringgebietes.
Abb. 1:
Öffentlichkeitsbeteiligung zur Rahmenplanung
Im Rahmen der Beteiligungsprozesse sind
Ideen (Bausteine) entwickelt worden, durch die die Planung
ergänzt werden könnte. Beispielhaft können genannt werden:
-
Nahmobilitätskonzept
-
Musterquartier Energie mit örtlichem Kompetenzpartner (z.B.
VW, TU, BS Energy, Siemens)
-
Zertifizierung des Planungs- und Bauprozesses gemäß den
Anforderungen des DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges
Bauen e.V.)
Gütesiegels für nachhaltige Stadtquartiere
Hierzu ist derzeit noch keine Entscheidung getroffen. Von
Seiten der Wohnungswirtschaft und der Verwaltung gibt es
Vorbehalte hinsichtlich einer möglichen Überfrachtung der
Planung, Zeitverlusten und den damit verbundenen Kosten.
Im zweiten Teil des Vortrages ging
Bernd Schmidbauer dann auf das laufende Bauleitplanverfahren
ein. Der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan (B-Plan)
und die frühzeitige Trägerbeteiligung erfolgte 2013. Für Ende
2014 ist die Öffentlichkeitsbeteiligung geplant. Bis 2015 soll
das Baurecht geschaffen sein, wobei die Realisierung in
mehreren Bauabschnitten erfolgen soll. Der Beginn des Hochbaus
ist für 2016 geplant.
Im Rahmen des Bauleitplanverfahrens
lässt sich der Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs jedoch
nicht einfach eins zu eins umsetzen. Durch die örtlichen
Rahmenbedingungen (z.B. Eigentumsverhältnisse),
Partikularinteressen und rechtliche Aspekte ergibt sich ein
Anpassungsbedarf. Dies führt insbesondere zu folgenden
Herausforderungen im Planungsprozess:
(1)
Bildung der Bauabschnitte
Die Umsetzung des Entwurfs soll in drei Bauabschnitten
erfolgen. Hierbei wird der erste Bauabschnitt die zentrale
Erschließungsachse und die neu zu planende Haupterschließung
des gesamten Baugebietes umfassen. Auch der das Gebiet
abgrenzende Nordpark gehört zu diesem Bauabschnitt. Für den
B-Plan müssen in diesem Zusammenhang die Fragen des
festzusetzenden Baugebietes (Art der baulichen Nutzung), die
Geschossigkeit und Bauhöhen sowie die überbaubaren Flächen
(Baulinien und/oder Baugrenzen?) geklärt werden.
(2)
Erschließung und Mobilität
Zunächst erfordert die Erschließung des Baugebietes den Neubau
einer Straße, die zu einer Veränderung der bisherigen
Verkehrsbeziehungen führt. Des Weiteren müssen die
Anforderungen des ruhenden Verkehrs mit den
stadtgestalterischen Ansprüchen abgeglichen werden. In welchem
Umfang und an welcher Stelle sollen beispielsweise öffentliche
Stellplätze an den Straßen vorhanden sein?
(3)
Grünplanung, Ausgleich und Ersatz
Zwar werden große Teile
des Baugebiets bereits baulich genutzt, jedoch gibt es auch
große Flächen mit kleingärtnerischer Nutzung. Insgesamt wird
so ein externer Ausgleich und Ersatz erforderlich, obwohl
vorhandene Großbäume und Strauchstrukturen erhalten bleiben
sollen, dies auch planerisch abgesichert wird, die zentrale
Erschließungsachse als begrünter Stadtanger gestaltet und mit
dem Nordpark ein Grünbereich aufgewertet wird.
(4)
Bahnstrecke – Gegenwart und Zukunft
Am Rande des
Plangebietes verläuft eine Bahntrasse, als Überbleibsel der
Eisenbahngeschichte Braunschweigs. Derzeit wird die Trasse nur
noch zur Belieferung des angrenzenden Heizkraftwerkes genutzt.
Ist hierfür aber weiterhin erforderlich, insbesondere zum
Transport von Ammoniak. Die Bahntrasse ist Teil des als Fuß-
und Radweges ausgebauten (ehemaligen) Ringleises und des neu
gestalteten Nordparks. Durch die Integration der Bahntrasse in
einen Park und die Querung der Gleise durch wichtige
Wegebeziehungen zur Innenstadt ergeben sich komplexe
planungsrechtliche Probleme.
(5)
Lärmschutz – Bestand und neue
Bauflächen
Die in
Betrieb befindliche Bahntrasse muss ebenso im Rahmen des
Lärmschutzes berücksichtigt werden, wie die neue Straße (mit
voraussichtlich hoher Verkehrsbelastung), die bestehenden und
zu erhaltenden gewerblichen Nutzungen und lärmintensive
Freizeitnutzungen, wie beispielsweise ein Jugendplatz. Der
Schutz des neuen Wohnens (und des Bestandes) erfordert hier
planungsrechtliche Festsetzungen im B-Plan.
(6)
Soziale Einrichtungen
Als neue soziale Einrichtung ist eine Kindertagesstätte
vorgesehen, außerdem soll, einem Bürgerwunsch entsprechend,
der Jugendplatz einen Rodelhügel erhalten. Das am Gebietsrand
gelegene „Haus der Kulturen“ könnte sich hierbei zu einem
wichtigen sozialen Treffpunkt für das Gebiet entwickeln.
(7) Gestaltungshandbuch / Farbmasterplan
Um den hohen Ansprüchen
an den städtebaulichen Entwurf und der Bedeutung des neuen
Stadtquartiers für die Gesamtstadt gerecht zu werden, sollen
gestalterische Anforderungen fixiert werden. Das vorgesehene
Konzept die Anforderungen mit Gestaltungshandbuch und einem
Farbmasterplan umzusetzen, hat sich bei ähnlichen Projekten
(z.B. dem Bundesmodellprojekt St. Leonhards Garten) bereits
bewährt.
Im Rahmen der sich anschließenden
Diskussion wurde mit der Frage nach bezahlbarem Wohnraum ein
weiterer Aspekt zur Sprache gebracht. Unterschiedliche
Wohnkonzepte, wie beispielsweise studentisches Wohnen,
altersgerechtes Wohnen, gemeinschaftliches Wohnen,
kostengünstiges Wohnen, sollen ebenfalls bei der Planung
berücksichtigt werden. Da die Realisierung des Projektes
insbesondere durch städtische Wohnungsbaugesellschaften und
–genossenschaften erfolgen soll, bestehen hier gute
Einflussmöglichkeiten. Aber auch diese Wohnungsunternehmen
müssen Wirtschaftlichkeitsaspekte beachten.
Bislang wird von der
Eigenwirtschaftlichkeit des Projektes ausgegangen. Wenn dies
nicht funktioniert, könnte auf der Grundlage der breiten
Analyse die Rahmenplanung das Projekt zu einem
Stadtteilentwicklungskonzept ausgebaut und ggf. Fördermittel
beantragt werden (beispielsweise im Rahmen von Stadtumbau
West).
Abschließend kann festgehalten werden,
dass es der Regionalgruppe wieder gelungen ist, ein für die
Region interessantes Thema aufzubereiten und die
Herbstvorträge der IfR-Regionalgruppe Niedersachsen
(Braunschweig/Hannover) mittlerweile zu einer festen Größe in
der Region geworden sind.
Dr. Frank Schröter
Das Projekt im Internet:
Ausschreibungsunterlagen zum
städtebaulichen Wettbewerb:
http://www.competitionline.com/de/ausschreibungen/144576
Siegerentwürfe des städtebaulichen
Wettbewerbs:
http://www.braunschweig.de/leben/stadtplanung_bauen/n_ringgebiet/wettbewerb.html
Infoseite der Stadt Braunschweig
zum Gebiet:
http://www.braunschweig.de/leben/stadtplanung_bauen/n_ringgebiet/index.html
Der zur Realisierung ausgewählte
Siegerentwurf:
http://www.ackerspartner.de/?page_id=1845
Bundesmodellprojekt St. Leonhards
Garten
http://www.braunschweig.de/stleonhardsgarten/
Interessante Links:
Ankündigungsplakat (PDF, 257 KB)